Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Einladung zur Mitgliederversammlung / Termine / Änderungsvorschläge zur Satzung
Uhren und Autos – Mitgliederausflug 2023 nach Schramberg / Jürgen E. Wittmann
Das Zeppelin Museum ist weiter auf Erfolgskurs / Claudia Emmert
„Sag mir, was du siehst“ – Der neue Podcast des Zeppelin Museums / Susanne Nikeleit
Geschichte(n) erleben: Das Schauhaus im Zeppelindorf / Agnes Bidmon
Der Architekt des Zeppelin-Konzerns.
Zum 150. Geburtstag von Alfred Colsman (1873 – 1955) / Harald Ruppert
Die militärische Nutzung von Zeppelinen / Felix Banzhaf
Automobile Zeppelingeschichte.
Der SHW-Experimentalwagen von 1925 im Zeppelin Museum / Jürgen Bleibler
Eine Architektur-Ikone wird 90. Der Hafenbahnhof Friedrichshafen / Barbara Waibel
Familie Trummer und der Luftschiffhafen Jiquiá in Brasilien / Sylk Schneider
Anna und ihre Töchter. Die Geschichte der Familie Sujkowa aus Leningrad / Christa Tholander
Zeppelin-Abwurfpost / Cheryl Ganz
Meilensteine der ZF Bahn-Antriebssysteme / Harry Klaus Schneider
Botschafter des Friedens – Das Luftschiff LZ 126
ZR III Los Angeles ist Thema des Zeppelin-Kalenders 2024 / Barbara Waibel
Liebe Freundeskreis-Mitglieder, liebe Leserinnen und Leser des Zeppelin-Briefs,
lauter Jubiläen und Gedenktage – das ist das Motto des neuen Zeppelin-Briefs. An erster Stelle ist der 150. Geburtstag von Alfred Colsman, Generaldirektor der Luftschiffbau Zeppelin GmbH von 1908 bis 1929 und Initiator des Zeppelin-Konzerns, zu nennen. Die Stadt Friedrichshafen hat diesem weitsichtigen Unternehmer viel zu verdanken und gedachte ihres Ehrenbürgers am 7. Mai mit einer Feier im Graf-Zeppelin-Haus. Zahlreiche Mitglieder der Familie Colsman kamen nach Friedrichshafen und begingen den Anlass gemeinsam mit Oberbürgermeister Andreas Brand, Mitgliedern des Gemeinderats, Vertreterinnen und Vertretern der Stiftungsunternehmen sowie unseres Freundeskreises und des Zeppelin Museums. Der Zeppelin-Brief würdigt den Gedenktag mit einer Porträt-Zeichnung Colsmans auf der Titelseite und einem Artikel aus der Schwäbischen Zeitung.
Als Unternehmer mit sozialem Verantwortungsgefühl gründete Colsman 1913 die Zeppelin Wohlfahrt GmbH, um mäßigend auf die Wohnungs- und Lebenshaltungskosten einzuwirken. Das Zeppelindorf bietet bis heute Wohnraum für Beschäftigte der Stiftungsunternehmen. Eines der Häuser wird seit 2013 vom Zeppelin Museum als Schauhaus betrieben. Das Museum will dieses Kleinod künftig stärker in die Öffentlichkeit rücken und Geschichten von den Menschen, die hier lebten und arbeiteten erzählen. Dieses Projekt (s. Artikel von Agnes Bidmon) unterstützen wir als Freundeskreis des Museums mit einem finanziellen Beitrag, denn es sind die Menschen, die die Geschichte schreiben. Zur 10. Saisoneröffnung des Schauhauses hat das Museum gemeinsam mit Bewohnern des Zeppelindorfs, engagierten Freundeskreis-Mitgliedern und weiteren Beteiligten am 30. April ein kleines Fest auf dem König-Wilhelm-Platz organisiert, das großen Anklang fand. Bis November ist das Schauhaus sonntags von 12 – 17 Uhr geöffnet und jeden zweiten Freitag gibt es Führungen, Gartengespräche und Workshops (s. Termine). Geschichten von den Menschen rücken auch die Beiträge von Sylk Schneider und Christa Tholander in den Fokus. Beide erzählen von Familien, die im Zeppelin-Konzern beschäftigt waren.
Ein weiterer Gedenktag betrifft unser Museumsgebäude, den Hafenbahnhof. Er wurde vor 90 Jahren, am 7. März 1933, eröffnet. Dieses Ereignis fiel damals mit dem Sturz der Württembergischen Regierung durch die Nationalsozialisten zusammen. Schließlich wirft das Jahr 2024 mit der neuen Ausgabe des Zeppelin-Kalenders bereits seine Schatten voraus: Thema ist das Luftschiff LZ 126 Los Angeles, das vor 100 Jahren, im Oktober 1924, in die USA überführt wurde.
Zum Schluss möchte ich Sie noch herzlich zu unserer Mitgliederversammlung am 8. Juli im Zeppelin Museum einladen (s. Termine). Und wie immer bitte ich Sie, sich für unseren Verein und unser Museum einzusetzen, indem Sie neue Mitglieder gewinnen. Verschenken Sie doch einfach mal eine Mitgliedschaft zum Geburtstag. Für jedes neugeworbene Mitglied erhalten Sie übrigens einen Gutschein für den Museumsshop.
Im Namen des gesamten Vorstands grüßt Sie herzlich
Ihre
Barbara Waibel
Geschichte(n) erleben: Das Schauhaus im Zeppelindorf
Das Jahr 2023 ist ein Jahr voller Jubiläen – so feiert nicht nur die Zeppelin Wohlfahrt ihr 110-jähriges Bestehen, sondern auch das Schauhaus im Zeppelindorf seinen 10. Geburtstag als Außenstelle des Zeppelin Museums. Und als wäre das noch nicht genug Grund zum Feiern, jährt sich 2024 der Baubeginn des Zeppelindorfes zum 110. Mal. Aufgrund der Fülle dieser Anlässe hat sich das Team des Zeppelin Museums vorgenommen, das methodisch-didaktische Konzept des Museumshauses im Lauf des kommenden Jahres grundlegend zu überarbeiten und das Schauhaus mit neuem Leben zu füllen. Ziel des Projektes ist, den Erinnerungsort in ein lebendiges Haus voller Geschichte(n) zu verwandeln, das erstmals die bislang häufig ausgeklammerte und daher in der Betrachtung unterrepräsentierte Arbeitergeschichte der Stadt in den Fokus rückt. Auf diese Weise soll ein bislang noch weitgehend unerschlossenes Kapitel der Sozial- und Stadtgeschichte Friedrichshafens aufgearbeitet und den Besucher*innen im Rahmen einer neu konzipierten Dauerausstellung zugänglich gemacht werden.
Neue Perspektiven auf die Stadt- und Industriegeschichte
Wirft man einen Blick auf die Zeppelingeschichte, wie sie im Zeppelin Museum erzählt wird, steht dort hauptsächlich die privilegierte Schicht im Fokus – angefangen vom Grafen Zeppelin über all die Konstrukteure und Ingenieure bis hin zu den Kapitänen der Luftschiffe. Doch wie in jeder Geschichte und der Geschichte überhaupt, gibt es immer auch andere Perspektiven und Akteure, die einen nicht unwesentlichen Anteil an den Ereignissen haben und deren Namen und Lebensgeschichten niemand kennt, ob- wohl ohne ihren Einsatz kein einziges Luftschiff hätte gebaut werden oder gar abheben können: die Arbeiter des Zeppelin-Konzerns und ihre Familien. Diese Menschen, deren Leben sich neben der Arbeit in der Fabrik vor allem im Zeppelindorf abgespielt hat, sollen daher im Schauhaus im Mittelpunkt stehen. Hierfür werden im Rahmen des Projekts „Geschichte(n) erleben“ ihre Geschichten sicht- und hörbar gemacht und die eingeübte Perspektive auf die Zeppelingeschichte durch eine komplementäre Erzählung ergänzt. Indem wir auf diese Weise den Beitrag der Arbeiterfamilien im Hinblick auf die Stadt- und Industriegeschichte Friedrichshafens würdigen, soll die nach wie vor diskursbestimmende klassistische Lesart der Zeppelingeschichte aufgebrochen und Raum für neue Narrative und Begegnungen geschaffen werden…..
Der Architekt des Zeppelin-Konzerns
Zum 150. Geburtstag von Alfred Colsman (1873 – 1955)
In Friedrichshafen bemisst man die Bedeutung einer Persönlichkeit gern an der Größe des Saales, der im Graf-Zeppelin-Haus nach ihm benannt ist. Der Größte, neben dem Grafen selbst, war demnach Hugo Eckener – Alfred Cols- man dagegen eine Randfigur. Aber stimmt das auch? Keineswegs, meint Barbara Waibel, die Leiterin des Zeppelin-Archivs. „Anders als Colsman hat Eckener Weltruhm erlangt. Aber für Friedrichshafen war Alfred Colsman der Bedeutendere.“ Der Grund: „Colsman hat den Konzern geschmiedet, der bis heute mit seinen Stiftungsbetrieben den Wohlstand von Friedrichshafen sichert“, sagt Waibel. Er prägt die Stadt bis heute.
Colsman wurde vor 150 Jahren geboren, am 7. Mai 1873, in Werdohl im westfälischen Sauerland. Zwar war der Vater Metallwarenfabrikant, der kleine Alfred wuchs aber keineswegs verwöhnt auf. Seine Eltern vertraten einen schlichten Lebensstil, wohl aus calvinistischer Überzeugung. 1896, exakt an Alfreds 23. Geburtstag, starb sein Vater. Um das väterliche Unternehmen mit seinen Brüdern weiter- führen zu können, brach Alfred Colsman sein Maschinenbaustudium in Berlin ab. Drei Jahre später heiratete er Anna Berg, die Tochter des Lüdenscheider Fabrikanten Carl Berg. Schon früh hatte Berg die Chancen gewittert, die im damals noch neuen Werkstoff Aluminium steckten. Das führte wiederum 1897 den Grafen Zeppelin zu ihm: Berg sollte für ihn das Gerippe seines ersten Luftschiffs fertigen. Colsman traf mit Graf Zeppelin 1899 erstmals zusammen. Im Unternehmen seines Schwiegervaters nahm er da schon Führungsaufgaben wahr.
Aber erst neun Jahre später, 1908, als Graf Zeppelin durch das „Wunder von Echterdingen“ über Geld verfügte, bot der Graf Colsman an, als Geschäftsführer bei ihm anzufangen. Colsman nahm kurzentschlossen an. Der Graf hatte sich für einen geradlinigen jungen Mann entschlossen, der offen seine Meinung sagte. Widersprachen die Visionen des Grafen Colsmans Sinn für das finanziell Machbare zu sehr, scheint er sie dem Grafen regelrecht gegeigt zu haben.
„So dürfen sie nicht mit mir reden!“, er- mahnte der Graf Colsman mehr als einmal. Aber dieser blieb dabei: „Ich kann nicht aus meiner Haut. Ich werde meine Meinung sagen, solange ich Geschäftsführer bin, ob sie angenehm ist oder nicht. Wenn Exzellenz darauf keinen Wert legt, muss er sich Sklaven halten. Die sind immer seiner Meinung.“ Eine Geschmeidigkeit, wie Eckener sie an den Tag legte, blieb Colsman fremd. Mehr als 20 Jahre war Colsman Generaldirektor der Luftschiffbau Zeppelin GmbH. Er gründete in dieser Zeit zahlreiche Firmen und Tochterunternehmen. Sie erwuchsen den sich ausdifferenzierenden betrieblichen Notwendigkeiten. Warum schuf Colsman nicht einfach nur neue Abteilungen innerhalb des Luftschiff baus?
Um den Konzern widerstandsfähiger gegen Krisen zu machen. Colsman verglich seine Strategie mit einem Baum, der Samen abwirft, aus denen ein Wald erwächst: Wenn ein Unwetter ausbricht, stützen sich die Bäume gegenseitig….