Zeppelin-Brief Nr. 79

Inhaltsverzeichnis:

– Vorwort 3
– Veranstaltungstermine 4
– Einladung zur Mitgliederversammlung 5
– Mitgliederfahrt ins Auto und Traktormuseum Uhldingen, Samstag, den 11. September 2021 / Jürgen Wittmann 5
– Wie das Zeppelin Museum in den Hafenbahhof kam / Barbara Waibel 6
– Neues aus dem Zeppelin Museum / Claudia Emmert 10
– Wohl behütet über den Wolken / Larissa Düchting 13
– Die Digitale Sammlung des Zeppelin Museums / Kathrin Wurzer und Mark Niehoff 16
– Das 17. Zeppelin-Luftschiff hieß „Sachsen“ / Erhard Rothbauer 20
– Fritz Burr: Ein früher Ingenieur bei Graf Ferdinand von Zeppelin / Gerhard Schuhmacher 24
– Ernst Vollbehr (1876–1960) als Zeppelin-Maler in Friedrichshafen / Konrad Schuberth 26
– Der Luftangriff am 21. November 1914 auf die Zeppelin-Werft Friedrichshafen, Das Schicksal des Piloten Edward Featherstone Briggs / Martin Kohler 30
– 75 Jahre Gedenken der Zerstörung Friedrichshafens / Dr. Christa Tholander 36
– Vor 100 Jahren: Der Absturz des amerikanischen Marineluftschiffs ZR-2 / Jürgen Bleibler 40
– Die ersten Verbrennungstriebwagen mit Antriebstechnik aus Friedrichshafen / Klaus Schneider 45
– Die Rohrwickel-Spiralrohrmaschine / Manfred Sauter 48
– „Welche Fülle von schönen Eindrücken…“ – Zeppelinfahrten in die Schweiz (1929–1934) / Barbara Waibel 52
– Das Zeppelin Museum und die Backstube Kloos machen gemeinsame Sache… / Carolin Gennermann und Fabian Kloos 54

Liebe Mitglieder, liebe Zeppelin-Freunde,

25 Jahre ist es nun schon her, dass wir unser wichtigstes Ziel erreichen konnten: die Eröffnung eines eigenen, der Vielfältigkeit und Bedeutung des Themas angemessenen Zeppelin Museums im ehemaligen Hafenbahnhof. Bis es soweit war, musste ein langer und nicht immer einfacher Weg zurückgelegt werden. Daher ist auch der erste Artikel der Vorgeschichte der Museumseröffnung und dem großen Engagement unseres Freundeskreises für das Zeppelin Museum gewidmet. Ohne die aktive und vielfältige Unterstützung von Ihnen, unseren Vereinsmitgliedern und natürlich allen Vorgängern im Vorstand, allen voran unserem Ehrenvorsitzenden Manfred Sauter, wäre es nicht möglich gewesen, dieses Ziel zu erreichen. Deshalb sei an dieser Stelle vor allem Ihnen, den Mitgliedern des Freundeskreises gedankt, ganz besonders auch dafür, dass Sie uns gerade in den derzeit schwierigen Zeiten die Treue gehalten haben. Der eigentlich vorgesehene Festakt am 2. Juli, dem Eröffnungstag des Museums, fällt leider ins Wasser – nicht des derzeitigen Regenwetters wegen, sondern weil uns immer noch Corona einen Strich durch die Rechnung macht. Deshalb wurde als Illustration für dieses Vorwort erneut das fast schon ikonenhafte Bild vom Grafen mit Maske gewählt. Dennoch finden am 2.  Juli verschiedene Aktionen in und ums Haus statt. Schauen Sie doch vorbei. Auch wenn uns die Alltagsmaske noch lange begleiten wird, sind wir doch sehr glücklich und erleichtert, dass wir unser Museum rechtzeitig zu den Pfingstferien endlich wieder öffnen durften und dass nach den langen Wochen gespenstischer Stille in den Ausstellungsräumen wieder Leben im Haus herrscht. Die Resonanz war überwältigend: Trotz der Zugangsbeschränkungen, die einen zeitgleichen Besuch von nur 400 Personen erlaubten, waren allein in der ersten Juniwoche 4.695 Besucherinnen und Besucher im Museum. Das zeigt meines Erachtens, wie groß das Bedürfnis der Menschen nach Kultur ist und wie sehr sie sie in den vergangenen Monaten vermisst haben. Insgesamt sind wieder viele lesenswerte Beiträge zusammengekommen, die fast alle von Mitgliedern unseres Vereins stammen. Allen, die zum Gelingen des Zeppelin-Briefs beigetragen haben, sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Drei Artikel thematisieren unterschiedliche  Facetten des Sammelns: Kathrin Wurzer und Mark Niehoff, Sammlungskurator*innen der Abteilungen Zeppelin und Kunst, stellen die Digitale Sammlung des Zeppelin Museums vor, Larissa Düchting, Museumspädagogin im Hutmuseum Lindenberg  hat die Kopfbedeckungen unserer Zeppelin-Sammlung begutachtet und Erhard Rothbauer gewährt uns erneut Einblicke in seine Privatsammlung zum Luftschiff „Sachsen“.
Wiederum drei Beiträge handeln von den tragischen Abstürzen und den Schicksalen von Menschen, die Opfer dieser Ereignisse wurden: Jürgen Bleibler erinnert an den Absturz des amerikanischen Marineluftschiffs ZR-2 vor 100 Jahren und die Artikel von Martin Kohler und Dr. Christa Tholander, die sich mit den Piloten der Luftangriffe auf Friedrichshafen im Ersten und im Zweiten Weltkrieg befassen, regen zum Nachdenken über Krieg und seine Folgen an. Harry Schneider schreibt als langjähriger ZF-Mitarbeiter in seinem ersten, aber sicher nicht letzten Artikel für den Zeppelin-Brief über die ersten Verbrennungstriebwagen mit Antriebstechnik aus Friedrichshafen, und last but not least erfreut uns Manfred Sauter wieder einmal mit einem Artikel aus seinem unerschöpflichen Wissensfundus aus seiner Zeit bei Zeppelin, dieses Mal über die Rohrwickelmaschine der Firma FIF.
Abschließend möchten wir Sie herzlich zu unserer Mitgliederversammlung am 31. Juli 2021 im Graf Zeppelin Haus einladen. Wir würden uns sehr freuen, möglichst viele Mitglieder bei dieser Gelegenheit begrüßen zu dürfen, denn es stehen wichtige Neuwahlen an. Leider steht unser bisheriger Stellvertretender Vorsitzender Leo Bucher aufgrund neuer geschäftlicher Aufgaben nicht mehr für dieses Amt zu Verfügung. Wir freuen uns aber, dass wir mit Peter Gerstmann, Konzernchef der Zeppelin GmbH, einen geradezu idealen Kandidaten gefunden haben, der dankenswerterweise bereit ist, dieses Amt neben seinen zahlreichen Verpflichtungen zu übernehmen und seine Fachkompetenz vor allem auch im Aufsichtsrat der Museums GmbH einzubringen.
Im Namen des gesamten Vorstands grüßt Sie herzlich

Ihre

Barbara Waibel

Neues aus dem Zeppelin Museum

Wie geht es den Museen heute? Was treibt sie um?

Nun, um es etwas flapsig auszudrücken: es rappelt mächtig im Karton. Und das liegt nicht nur an Corona, einer Pandemie, die die Museen in Hochgeschwindigkeit in die Welt des Digitalen katapultiert hat. Die monatelangen Schließzeiten, verbunden mit der Gleichsetzung der Museen mit Freizeiteinrichtungen, haben für Empörung gesorgt, aber gleichzeitig einen Innovationsschub ausgelöst, der inzwischen auf sämtlichen Ebenen der musealen Arbeit mächtig Fahrt aufgenommen hat. Mittendrin das Zeppelin Museum, das mit einem hochagilen und engagierten Team die Gunst der Stunde nutzte. Vom ersten Lockdown-Tag an haben hier alle die Ärmel hochgekrempelt und überlegt, wie man das Museum und seine Sammlungen, die Wechselausstellungen und die Begleitprogramme in digitale Formate übersetzen, und damit, das war schnell klar, auch eine deutlich größere, wenn auch noch nicht treffsicher definierbare Zielgruppe erreichen könnte.

Digitalisierung
Zunächst haben wir digitale Führungen erprobt. Mit dem Smartphone als Kamera sind wir durch die Ausstellungen und Sammlungspräsentationen marschiert, in unsere Depots und Archive hinabgestiegen und haben das Museumsteam sichtbar gemacht, indem wir unterschiedliche Mitarbeiter*innen für verschiedene Formate vor die Linse luden. Doch bald schon haben diese eher unkomplizierten Spaßstücke nicht mehr ausgereicht. Das Museum wurde von professionellen Teams mit 360°-Kameras aufgenommen und so zur Gänze auf Plattformen wie Google Arts & Culture und Museum virtuell zugänglich gemacht. Das Museum wurde so digital begehbar, das Analoge 1:1 ins Virtuelle übertragen. Doch auch das reichte bald schon nicht mehr aus. Die Bundesregierung stellte Gelder für innovative digitale Projekte zur Verfügung und ermöglichte so eine rasche Professionalisierung. In den Museen entstanden regelrechte Fernsehstudios. Peter Weibel, Direktor des ZKM (Zentrum für Kunst und Medien) in Karlsruhe, sprach von einer zukünftigen Telegesellschaft und gab die Losung aus, Museen müssten ein besseres Netflix werden. Darüber wurde auch im Zeppelin Museum viel und sehr kontrovers diskutiert: War das der richtige Vergleich und wenn ja, wie konnte dieses „besser“ gelingen? Unsere Lösung war das debatorial, eine Ausstellungs- und Diskursplattform, auf der wir zur Teilhabe eingeladen haben: mit Kommentarfunktionen, Quizformaten, Umfragen und interaktiven Karten, die u.a. die Routen und Grenzüberschreitungen der Zeppeline visuell erfahrbar machen. Historische Exponate der Luftschifffahrt und Kunstwerke zeitgenössischer Künstler*innen werden in Bildern, Filmen und Texten vorgestellt. Linklisten, die aus dem debatorial hinausführen, legen die digital zugänglichen Recherchequellen des Museums offen. Zahllose Live-Formate, die von der digitalen Eröffnung der Ausstellung Beyond States. Über die Grenzen von Staatlichkeit bis hin zu Vorträgen, Podiumsdiskussionen und Podcast-Gesprächen reichen, sind über ein Live-Archiv jederzeit abrufbar. In den Medien wurde das debatorial als ein zukunftsweisendes Format gefeiert:
„Mit einem virtuellen Schritt geht nun das Zeppelin Museum in Friedrichshafen einem möglichen Lösungsansatz entgegen und will damit wichtige Impulse für eine Frage geben, die mehrere Diskurse zusammenfasst: Wie wollen wir unsere Museen in Zukunft als Debattenorte gestalten?“ So Marcus Boxler im renommierten Monopol Magazin. Auch Kolleg*innen aus der Museumsbranche waren begeistert und luden das Zeppelin Museum ein, im Rahmen zahlreicher internationaler Tagungen über das debatorial zu berichten. Seit Oktober 2020 sind inzwischen über 40.000 Menschen auf der Plattform gewesen. Und das Zeppelin Museum konnte seine nationale und internationale Wahrnehmung deutlich ausbauen.

Provenienzforschung
Doch die Pandemie ist nicht der einzige Treiber. Bereits 2012 mit dem Fall Gurlitt, auch bekannt als Schwabinger Kunstfund, und in den letzten Monaten mit der Eröffnung des Humboldt- Forums entbrannten Fragen zum verantwortungsbewussten Umgang mit den Provenienzen von Museumsobjekten. Besonders heftig wird derzeitdie Diskussion um die Rückgabe der Benin-Bronzen an Nigeria und die damit verbundene Dekolonialisierung der Museen und ihrer Sammlungen diskutiert. Die Provenienzdebatte beschäftigt heute kunsthistorische, ethnologische und kulturhistorische Museen, so auch das Zeppelin Museum, das in diesem Bereich ebenfalls ein Zeichen setzen konnte. Während Kunstmuseen vor allem die Werkzugänge zwischen 1933 und 1945 kritisch untersuchten, zählte das Zeppelin Museum zu den ersten Häusern, die sich den Kunst-Ankäufen in der Nachkriegszeit widmeten und sich bei der Recherche vor allem auf die Händlernetzwerke des deutschen Faschismus bezog, die in der Nachkriegszeit bis ins 21. Jahrhundert wirksam blieben. Für diese Leistung wurde das Zeppelin Museum vom Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg als best practice-Beispiel hervorgehoben.

Bedeutungsgeschichte
Mit der Provenienzforschung wurden weitere neue Handlungsfelder für die Museen sichtbar, die man mit dem Begriff Bedeutungsgeschichte zusammenfassen könnte. Darunter versteht man einerseits das Aufbrechen der europäisch-westlichen Perspektiven, die vor allem die Kunst und Kultur auf der Südhalbkugel und in den östlichen Ländern marginalisierte. Hier mussten globale Perspektiven etabliert und neue Zusammenhänge sichtbar gemacht werden. Vorreiter dieses Aufbruchs ist Okwui Enwezor, der bis zu seinem Tod im Jahr 2019 Direktor des Münchner Haus der Kunst war. In seiner weltweit wegweisenden Ausstellung „Post War“ warf er alles über den Haufen, was in unseren Breitengraden als Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts etabliert zu sein schein. Wodurch? Er zeigte, welche Kunststile die Länder des Südens sowie des Nahen und Fernen Ostens nach dem Zweiten Weltkrieg ausprägten und stellte so neue globale Zusammenhänge her. Apropos Marginalisierung: Auch Künstlerinnen wurden in der westlichen Kunstgeschichte meist vergessen. Dies galt es unter der Überschrift „Restitution von Bedeutung“ zu korrigieren. Die Kulturgeschichte, die vor allem durch den Blick weißer männlicher Wissenschaftler geprägt war, wird seit einigen Jahren um globale und multiperspektivische Sichtweisen erweitert, die nicht zuletzt der Diversität unserer Gesellschaft gerecht werden. Sie haben Ausstellungsthemen und -konzeptionen der Museen stark verändert. Das Zeppelin Museum hat auch hier reagiert: Die Sammlungspräsentation Zeppelin wurde zwischen 2009 und 2014 unter der Federführung von Jürgen Bleibler neu konzipiert und die Geschichte der Zeppeline unter Berücksichtigung der globalen Entwicklungen der Luftschifffahrt neu erzählt. Barbara Waibel, Leiterin des LZ-Archivs, kuratierte übrigens bereits 2004 die Ausstellung „Die Schwestern des Ikarus – Frau und Flug“ und ist heute mehr denn je gefragt, wenn es um die Erforschung der Leistungen von Frauen in dieser Männerdomäne geht. Auch die Kunstabteilung überprüft seit einigen Jahren die eigene Sammlung auf Lücken. So wurden u.a. Werke von Marta Hoepffner angekauft, eine der bedeutendsten experimentellen Fotografinnen der Nachkriegszeit, die in den 1970er Jahren eine Fotoschule in Kressbronn betrieb und viele Jahre völlig in Vergessenheit geriet. An ihrer aktuellen Wiederentdeckung hat das Zeppelin Museum durch die Ausstellung „Wege in die Abstraktion“ wesentlichen Anteil.

Gesellschaftliche Verantwortung
Sucht man für die bereits genannten Aufgaben der Museen einen gemeinsamen Nenner, könnte dieser „gesellschaftliche Verantwortung“ heißen. Doch inwiefern und in welchem Maß können Museen hier einen Beitrag leisten? Diese Frage kulminiert aktuell im Streit um die Entwicklung einer neuen Museumsdefinition durch ICOM international, dem internationalen Museumsrat. Die Definition, die 2007 festgeschrieben wurde, lautet schlicht: „Ein Museum ist eine gemeinnützige, ständige Einrichtung im Dienste der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, die der Öffentlichkeit zugänglich ist und die das materielle und immaterielle Erbe der Menschheit und ihrer Umwelt zum Zwecke der Bildung, des Studiums und des Genusses erwirbt, bewahrt, erforscht, vermittelt und ausstellt.“ Angesichts der zahlreichen neuen Herausforderungen in einer sich rapide verändernden Welt sollte diese Definition deutlich erweitert werden. Der neue Definitionsvorschlag, der aktuell sehr kontrovers diskutiert wird, lautet: „Museen sind demokratisierende, integrative und polyphone Räume für den kritischen Dialog über die Vergangenheit und die Zukunft. Indem sie die Konflikte und Herausforderungen der Gegenwart erkennen und sich damit auseinandersetzen, bewahren sie sorgsam Artefakte und Exponate für die Gesellschaft, sichern vielfältige Erinnerungen für künftige Generationen und garantieren allen Menschen gleiche Rechte und gleichen Zugang zum Erbe. Museen sind nicht gewinnorientiert. Sie sind partizipatorisch und transparent und arbeiten in aktiver Partnerschaft mit und für verschiedene Gemeinschaften, um zu sammeln, zu bewahren, zu erforschen, zu interpretieren, auszustellen und das Verständnis für die Welt u verbessern, mit dem Ziel, zur Menschenwürde und sozialen Gerechtigkeit, zur globalen Gleichheit und zum planetarischen Wohlergehen beizutragen“. Aus der Sicht des Zeppelin Museums ist in dieser Definition alles enthalten, was Museen erfüllen sollten, um gesellschaftlich relevant zu bleiben. Daher engagiert sich unser Team bei ICOM Deutschland für diesen Vorschlag, gemeinsam mit zahlreichen anderen innovativen Häusern. Wir sind daher auch dabei, unsere Strategie und unsere Zielsetzungen auf den Prüfstand zu stellen und uns zu überlegen, wie wir als Zeppelin Museumgesellschaftliche Verantwortung übernehmen können. Wir haben Arbeitsgruppen gebildet, etwa zur Entwicklung eines neuen strategischen Gesamtkonzepts, zur Berücksichtigung von Multiperspektivität in sämtlichen Museumsbereichen und zur Nachhaltigkeit, die sich auf den Nachhaltigkeitsbericht der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aus dem Jahr 2020 bezieht. Dieser umfasst nicht nur Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes, sondern auch Aspekte wie nachhaltige Bildung, sozialen Zusammenhalt, Resilienz von sozialen Systemen, also Fragen der Extremismusprävention, der Demokratiestärkung und der kulturellen Integration. Hierzu müssen neue Kooperationen geschlossen und neue partizipative Strukturen in die Museen eingeführt werden. Das zeitgemäße Museum versteht sich als ein partizipativer Aneignungsraum. Gleichzeitig müssen Outreach-Programme ausgebaut werden, also Angebote, die nicht im Museum selbst, sondern in diversen Communities, in Schulen oder auch auf digitalen Plattformen stattfinden. Outreach-Programme sollen sicherstellen, dass wir auch die Personen erreichen, die, aus welchen Gründen auch immer, zu den Nicht- Besucher*innen von Museen zählen. Auch hierzu haben wir schon viele Ideen entwickelt, die wir erstmals in der Winterausstellung 2021/22 „Beziehungsstatus: Offen. Kunst und Literatur am Bodensee“ erproben wollen.

Lassen Sie sich überraschen: Fortsetzung folgt.

Claudia Emmert

Wie das Zeppelin Museum in den Hafenbahnhof kam

Ein Rückblick zum 25. Jahrestag des Zeppelin Museums

„Friedrichshafen braucht ein neues Zeppelin-Museum“, so titelten die „Zeppelin-Briefe“ in ihrer ersten Ausgabe von Dezember 1982. Mit der Eröffnung des Zeppelin Museums im ehemaligen Friedrichshafener Hafenbahnhof hat der Freundeskreis zur Förderung des Zeppelin-Museums e.V. 1996 sein bislang wichtigstes Ziel erreicht. Bis dahin war es jedoch ein langer Weg. 14 Jahre intensiver Überzeugungsarbeit, Sammlungsaktivität und fachliche Mitarbeit des Vereins waren nötig, bis dieses Ziel umgesetzt werden konnte. Dadurch und insbesondere auch durch das Akquirieren von Geldmitteln hat sich der Verein bleibende Verdienste um das Museum erworben.

Mit der Gründung des Freundeskreises am 8. März 1982, dem 65. Todestag des Grafen Zeppelin war der erste kleine Schritt auf dem Weg zu einem eigenen Museum getan. Die Initiative hierzu ging von dem Friedrichshafener Unternehmer Otto P. W. Hüni aus, der der erste Vereinsvorsitzende wurde und sich ein „kleines Deutsches Museum“ für den Grafen Zeppelin erträumte. Vielen Bürgerinnen und Bürgern der Stadt sowie den Zeppelin-Freunden in aller Welt war es ein Anliegen, die beengten Raumverhältnisse der Zeppelin-Abteilung im Städtischen Bodenseemuseum im Rathaus durch ein eigenes Zeppelin-Museum zu beenden. Die einzigartige Geschichte des Zeppelins sowie die der damit verbundenen Unternehmen und Personen, allen voran Graf Zeppelin, sollten ein „würdiges und  angemessenes Angedenken“ erhalten – so die Vereinssatzung.

Damit wird deutlich, dass die damalige Situation der Zeppelin-Ausstellung im Verbund mit einem Kunstmuseum von eher regionaler Bedeutung von den Zeppelin-Freunden als nicht mehr zeitgemäß und angemessen empfunden wurde. Dass die eigentliche Attraktion des Museums im obersten Stockwerk des Museums untergebracht war, ließ den Wunsch nach eigenen Räumlichkeiten ebenso laut werden, wie das inzwischen wieder erwachte Bewusstsein, dass eine Reihe namhafter, weltweit agierender Unternehmen in Friedrichshafen aus dem Luftschiffunternehmen des Grafen Zeppelin hervorgegangen sind.


Die Gründungsversammlung des Freundeskreises fand unter großer Resonanz in der Zeppelin-Abteilung des damaligen Bodenseemuseums statt. Der Verein hatte Ende 1982 bereits eine Mitgliederzahl von 450, darunter der damalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Lothar Späth. Innerhalb kürzester Zeit stieg die Zahl auf 1.200 und lag zu den Bestzeiten bei rund 1.900 Mitgliedern.

Die ersten Museumspläne gingen von einem Neubau an der Stelle des heutigen EDEKAs östlich der Bahngleise aus. Diese Möglichkeit bot sich im Zusammenhang mit der geplanten Überbauung des Buchhornareals. Von Vorteil war dabei ein Parkhaus, das dem Museum angegliedert sein sollte, und die Nähe zum Stadtzentrum. Die Standortfrage wurde noch längere Zeit diskutiert, bis sich schließlich ein Neubau am Hinteren Hafen beim Gemeinderat als allgemein favorisierte Lösung herausschälte.

Unterdessen sammelte der Verein Spendengelder und Exponate und griff in seiner Mitgliederzeitschrift „Zeppelin-Briefe“ die unterschiedlichen Themenaspekte der Zeppelin-Geschichte auf. Damit wurde zugleich skizziert, welche Inhalte sich neben der engeren Zeppelin-Historie im neuen Museum wiederfinden sollten. So startete bereits in der zweiten Nummer eine Serie zur Geschichte der Friedrichshafener Industriebetriebe, die ihre Wurzeln auf die 1908 von Graf Zeppelin gegründete Luftschiffbau Zeppelin GmbH zurückführten. In einem Schreiben an OB Herzog formulierte der Freundeskreis seine Ziele und stellte heraus, dass das Wirken und der Name des Grafen Zeppelin einzigartig und weltberühmt seien und ein Museum, welches dies zusammen mit den technischen Hochleistungen der Zeppelin-Folgeunternehmen attraktiv darstelle, ebenso einzigartig wäre. Man fand in ihm einen wichtigen Befürworter des Museumsprojekts, das von seinem Nachfolger Wiedmann ebenso intensiv weiterverfolgt wurde.

Die Bedeutung des Grafen Zeppelin und seines Erbes für Friedrichshafen wurde von der Stadt 1985 mit der Einweihung des Zeppelin-Denkmals und der Benennung des neuen Kultur- und Kongresshauses nach Graf Zeppelin sowie der einzelnen Säle und Zimmer nach wichtigen Personen der Firmen des ehemaligen Zeppelin-Konzerns gewürdigt. Als nächsten großen Schritt versprach die Stadt den Bau eines Zeppelin-Museums. Im Sommer 1985 bildete sich ein Arbeitskreis „Museumsneubau“, der die Zusammenarbeit von Verwaltung, Gemeinderat und Verein bündeln und Planungs- und Lösungsvorschläge für ein neues Zeppelin-Museum erarbeiten sollte. Mitglied waren u.a. Bürgermeister Kurt Brotzer und Lutz Tittel als damaliger Leiter des Bodenseemuseums. Die beständige Lobbyarbeit durch den Verein trug also Früchte.

In den „Zeppelin-Briefen“ Nr. 7 vom Dezember 1985 wurde ein Artikel der „Schwäbischen Zeitung“ abgedruckt, welcher bereits über erste Resultate des Ausschusses berichtete: Brotzer und Tittel hatten demnach Gespräche mit den vier großen Firmen Zeppelin-Metallwerke, ZF, MTU und Dornier geführt und eine Reihe von Museen besichtigt. Als Ergebnis kalkulierten sie mit einem Raumbedarf von 4.500 bis 5.000 Quadratmeter, wobei für die Luftschiffgeschichte 1.000, für die Industriebetriebe je 400 bis 500 Quadratmeter und die restlichen Flächen für den Kunstbereich und einen Wechselausstellungsraum vorgesehen waren. Die Verlagerung des gesamten Museums mit beiden Abteilungen, war hier also bereits festgelegt. Seitens des Vereins wurde diese neue Ausrichtung des Museums nicht weiter kommentiert. Die großzügige Raumplanung versprach, allen Ansprüchen gerecht zu werden.


Nach der Entscheidung über das Areal Hinterer Hafen als Standort für das neue Museum schlug der Gemeinderat als nächsten Schritt einen internationalen Architektenwettbewerb vor. Die Fertigstellung war für das Jahr 1992 angedacht. Auf diese Weise nahm das Projekt Zeppelin-Museum allmählich Gestalt an. Sein erstes Ziel, die Initialzündung für das neue Zeppelin-Museum zu geben, hatte der Freundeskreis mit der Übernahme des Projekts durch die Stadtverwaltung erreicht. Der Verein zog sich nun aber nicht etwa auf eine passive Rolle zurück, sondern gründete verschiedene Fachausschüsse, die das Museumsprojekt tatkräftig unterstützen sollten: den Ausschuss für Zeppelinliteratur, Archiv, Exponate und Ausstellungen in Zusammenarbeit von Lutz Tittel und Manfred Sauter, den  Ausschuss für Luftschifftechnik und Modellbau, für den die Professoren Peter Kleinheins und Siegfried Krauß  verantwortlich waren sowie den Zeppelin-Briefmarkenausschuss, den Hans-Joachim Bartel leitete. Als 1986 der Gründungspräsident Otto Hüni unerwartet verstarb, wurden Albrecht von Brandenstein-Zeppelin (bislang zweiter Vorsitzender) als neuer Vorsitzender und Manfred Sauter als stellvertretender Vorsitzender gewählt. Mit letzterem, der 1990 erster Vorsitzender des Freundeskreises wurde und den Verein bis 2015 führte, rückte im Zusammenhang mit den Museumsplänen auch das historische Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH stärker ins Blickfeld. Sauter hatte als langjähriger Mitarbeiter der Firma Zeppelin-Metallwerke das wertvolle Archivgut in einem Raum auf dem Firmengelände sichergestellt und geordnet und betreute es nun nebenamtlich. Zudem hatte er eine umfangreiche Sammlung von Objekten zur Unternehmensgeschichte zusammengetragen, die ebenfalls in verschiedenen Räumen auf dem Zeppelin-Gelände lagerten. Sowohl das Archiv als auch die Objektsammlung sollten als Leihgabe in das neue Museum integriert werden.

Ausgerechnet im Jahr der Feierlichkeiten zum 150. Geburtstag des Grafen Zeppelin (1988) verschwand die ambitionierte Planung für einen Museumsneubau jedoch wieder in der Schublade. Grund war der geplante Kauf des Hafenbahnhofs durch die Stadt Friedrichhafen, die darin eine Chance sah, das Museumsprojekt schneller und kostengünstiger umsetzen zu können und gleichzeitig ein bedeutendes Baudenkmal am Seeufer durch dieses neue Nutzungskonzept zu erhalten. Die Folge für das Museum war allerdings eine deutliche Flächenreduktion. Im Dezember 1987 informierte Oberbürgermeister Wiedmann den Vorstand des Freundeskreises über dieses Vorhaben. Dieser war darüber wenig begeistert, weil trotz geringerem Platzangebot seitens der Stadt an einem Museum für Technik und Kunst festgehalten werden sollte. Dass dies vor allem zulasten der vorgesehenen Fläche für die Industriebe gehen sollte, verstimmte den Verein. In der Folge entbrannte eine kontroverse über das inhaltliche Konzept des neuen Zeppelin-Museums. Erstmals erschien eine zusätzliche Ausgabe der Zeppelin-Briefe im März 1988 (Nr. 11), in der die Mitglieder über die neuen Pläne unterrichtet wurden. Der Freundeskreis appellierte hier an die Stadt, das Gebäude ausschließlich für ein Zeppelin-Museum ohne Kunstabteilung zu nutzen. Der Schriftführer Werner Bogner fand hierzu in der Mitgliederzeitschrift deutliche Worte: „[Die] klare Konzeption ist heute stark aufgeweicht und dahingehend interpretiert worden, daß nur noch der Name des Museums geblieben ist. […] Wir meinen, daß an erster Stelle die Verwirklichung des Zeppelin-Museums in seiner ursprünglichen Definition stehen muß. Dieses Ziel wird nicht nur von den Mitgliedern des Vereins erwartet, sondern von den Zeppelin-Begeisterten in aller Welt.“

Letztendlich konnte sich der Freundeskreis mit seinem Wunsch aber nicht durchsetzen. Ein Spatz in der Hand war immerhin besser als die Taube auf dem Dach – auf diese Formel brachte es der Vorsitzende Brandenstein-Zeppelin. OB Wiedmann versprach hingegen, den Verein bei der Erarbeitung des neuen Museumskonzepts einzubeziehen. In Anerkennung der empirisch ermittelten Zahl, dass mehr als 80 % der rund 100.000 Besucherinnen und Besucher nur wegen der Zeppelin-Abteilung ins Bodensee-Museum kamen, wurde dem Verein außerdem versprochen, dass es ein Museum sein werde, dessen klarer Schwerpunkt auf der Zeppelin-Geschichte liege. Mit einer Flächenverteilung von 2.561 Quadratmeter für die Dauerausstellung Technik (inklusive Archivdepot) und 1.372 Quadratmeter für die Kunstabteilung (inclusive Kunstdepot) wurde dem Rechnung getragen. Ein weiteres Zeichen war die Umbenennung des Bodensee-Museums  in Zeppelin Museum Friedrichshafen. Mit der Gründung einer Museums-GmbH 1993 wurde der Freundeskreis zur  Förderung des Zeppelin- Museums e.V. außerdem 30%iger Mitgesellschafter, der heute mit zwei Sitzen im Aufsichtsrat vertreten ist und dessen einzigartiges Engagement für ein neues Museum damit honoriert wurde. Als  Datum für die Eröffnung des neuen Zeppelin Museums wurde selbstredend wieder ein Jahrestag der Zeppelin- Geschichte gewählt: Am Gedenktag zum ersten Aufstieg eines Zeppelin-Luftschiffs am 2. Juli 1900 öffnete 96 Jahre später das Zeppelin Museum seine Türen für die Museumsgäste, die seither in großer Zahl in den ehemaligen Hafenbahnhof strömen, um die faszinierende Geschichte des Zeppelins zu erleben. Das Zeppelin Museum ist so zu  einem einmaligen Aushängeschild der Stadt Friedrichshafen geworden.

Und welche Ziele hat der Freundeskreis zur  Förderung des Zeppelin Museums seit der Eröffnung des Museums? Dass wir nach wie vor die Hände nicht in den  Schoß legen, versteht sich aus der Vorgeschichte von selbst. Unser Verein unterstützt „sein“ Museum nach wie vor  engagiert und in vielfältiger Weise. Nach wie vor springen wir ein, wenn es gilt, seltene Museumsobjekte, wichtige  Archivalien oder ganze Nachlässe für das Museum zu sichern, die mit dem begrenzten Ankaufsetat der Zeppelin- Abteilung nicht möglich wären. Ein ganz außergewöhnliches Geschenk machte unser Verein der Stadt Friedrichshafen 2015, als der damalige Vorsitzende Manfred Sauter die Freundeskreis-Sammlung, die so wertvolle  Stücke wie den Maybach Zeppelin enthält, als Schenkung in die Hand der Stadt übergeben hat. Mit Mitteln des  Vereins werden auch immer wieder besondere Einzelprojekte gefördert, wie etwa die Spezialaufhängung des großen „Hindenburg“-Modells, das viele Jahre im ehemaligen Museum die Hauptattraktion war. Seit einigen Jahren hängt es über dem großen Treppenaufgang zur Bahnsteighalle und erfreut sich wieder großer Beliebtheit bei Jung und Alt. Nicht zu vergessen ist an dieser Stelle die Mitgliederzeitschrift „Zeppelin-Brief“, die zwei Mal im Jahr erscheint. Hier wird Zeppelin-Geschichte aufgearbeitet, über Aktuelles aus dem Museumsalltag berichtet und Werbung für Ausstellungen, Shopprodukte, Führungen, Vorträge und andere Aktivitäten des Museums gemacht.  Die Zeitschrift ist so eine wichtige Schnittstelle zwischen Zeppelin-Freunden und Museum.
Eine Perspektive für ein  reines Zeppelin- Museum zur Technik- und Industriegeschichte im Hafenbahnhof bietet sich jetzt erneut mit den  Plänen zur Museumserweiterung. Dabei ist der Neubau eines eigenen Kunstmuseums geplant. Bei der Neuorganisation der Technik-Ausstellung auf den freiwerdenden Flächen im Hafenbahnhof tut sich sicherlich ein  neues und weites Tätigkeitsfeld für unseren Verein auf, um das Zeppelin-Museum in die Zukunft zu begleiten.

Barbara Waibel